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Maßnahmen für den verantwortlichen Einkauf in den Inbound-Supply-Chains



Céline Cheval-Calvel

Doktor DBA, Business Science Institute

(Dissertation betreut von Prof. Olivier Lavastre)

 

Einleitung


Die Schweizer Uhrmacher und Juweliere des Luxussektors sind dem steigenden Druck der Gesellschaft ausgesetzt, verantwortlichere Praktiken einzuführen. Daher versuchen sie, ein nachhaltiges Beschaffungswesen einführen, um den Einkauf von seltenen Werkstoffen wie Gold, Schmucksteinen, Holz sowie tierischen (Leder, Schuppen) und pflanzlichen Materialien (Perlmutt) transparenter zu gestalten. Wie geben die Inbound-Supply-Chains die von ihren Direktionen angestoßene CSR-Politik durch verantwortliche Einkäufe an ihre Zulieferer weiter?


Die Bezeichnungen ‚gesellschaftliche Unternehmensverantwortung (CSR)’ und ‚nachhaltige Entwicklung’ sind zu gängigen Begriffen geworden. Jedoch werden sie von den Akteuren dieser Unternehmen unterschiedlich verstanden, was sich selbst in ihren Umsetzungen widerspiegelt und in dieser Forschungsarbeit untersucht werden soll.


Impakt(e) der Forschungsarbeit


Der Weg ist noch weit, bis das Beschaffungswesen des Schweizer Uhren- und Schmucksektors wirklich als verantwortlich bezeichnet werden kann. Aber es ist möglich, die gegenwärtige Situation durch verständliche und konstruktive Gespräche zwischen den Einkäufern der Uhrmacher bzw. Juweliere und ihren Zulieferern zu ändern.

Vorab ist anzumerken, dass in der Uhren- und Schmuckbranche ein echter mimetischer Isomorphismus besteht: die Methoden, die im verantwortlichen Einkauf eingeführt wurden, sind identisch, und dies völlig unabhängig vom Unternehmen (Verbreitung von vertraglichen Verpflichtungen) und den Zulieferern, an die sie gerichtet sind.


Diese Nachahmung enthüllt eine gewisse Form der geschäftlichen Heuchelei, wenn das Unternehmen weder Ziele noch klar definierte Strategien hat. Eine von einem Betrieb eingeführte Maßnahme für den verantwortlichen Einkauf ist dafür gedacht, eine institutionelle Botschaft seiner gesellschaftlichen Verantwortung bei seinen Zulieferern zu vermitteln und zu verkörpern. Es gibt jedoch zu oft Widersprüchlichkeiten zwischen den Entscheidungen (ideologischer Bereich der Ideen) und den Taten (Bereich des Handlungs- oder Prozesseinführungssystems), was an der grundlegenden Unkenntnis des Konzepts und somit auch der Einführung von Maßnahmen liegt.


Weiterhin werden die Ideen und Praktiken des verantwortlichen Einkaufs von den Einkäufern und den Zulieferern unterschiedlich verstanden. Die geschäftliche Heuchelei haben die Zulieferer zum Beispiel bei der von den Einkäufern geforderten vertraglichen Verantwortung deutlich gespürt, da es sich um definitive Maßnahmen ohne Gegenleistungen handelte, was an sich schon in völligem Widerspruch zum Sinn sogenannter messianischer Maßnahmen steht.


Deshalb empfehlen wir die Schulung und Sensibilisierung aller Akteure der Inbound-Supply-Chain im Bereich des verantwortlichen Einkaufs, seiner Bedeutung, den damit verbundenen Maßnahmen, Werkzeugen und Herausforderungen.Wir empfehlen weiterhin (a) den Einkäufern, für jeden Zulieferertyp (je nach Größe des Zulieferers und seiner Tätigkeit) eine gesonderte relationale und individuelle Vorgehensweise einzuführen, und (b) den Zulieferern, ihre derzeitigen und kommenden CSR-Initiativen zu teilen, indem transparente und kooperative Beziehungen gefördert werden und indem letztendlich mit den von ihren Kunden aufgezwungenen Beitrittsaufforderungen gebrochen wird.


Forschungsgrundlagen


Unsere Forschungsarbeit basiert auf dem soziologischen Neoinstitutionalismus (DiMaggio und Powell, 1983) und auf den Auswirkungen des mimetischen Isomorphismus auf unser Forschungsfeld (den Schweizer Uhrmachern und Juwelieren des Luxussektors) ebenso wie auf der - immer noch sehr aktuellen - Übertragung der organisationalen Heuchelei (die von Nils Brunsson theoretisiert wurde, 1985, 1989 und 2002) auf die geschäftliche Heuchelei zwischen Einkäufern und Zulieferern im verantwortlichen Einkauf. Diese Theorien wurden durch die Konzepte der sozial verantwortungsvollen Beschaffung von Carter und Jennings (2002 ; 2004) vervollständigt, insbesondere im Hinblick auf die Art und Weise, in der die Einkaufsmanager sich für das verantwortungsbewusste Management der Lieferkette einsetzen, indem sie ihre Maßnahmen für den verantwortlichen Einkauf im „messianischen“ Modus weiterreichen, wie von Quairel (2007) angesprochen wurde.


Methodologie


Zwischen Oktober 2020 und Mai 2021 wurden 55 Interviews mit Schweizer Einkäufern von Uhrmachern und ihren Zulieferern derselben Dyade durchgeführt. Ziel war es, (1) zu erfahren, wie die Akteure des Managements der Inbound-Supply-Chain (Einkäufer, Einkaufsdirektoren und Verantwortliche der Logistikkette) der Uhrmacher sich die von ihrer Geschäftsleitung eingeführten Orientierungen zu eigen machen, indem sie sie in Maßnahmen für den verantwortlichen Einkauf umsetzen, (2) herauszufinden, wie sie diese Orientierungen unter Verwendung von ad hoc Werkzeugen und Methoden an ihre Zulieferer weitergeben und (3) zu ermitteln, wie die Zulieferer darauf reagieren und wie sie derartige Maßnahmen empfinden.


Zur Vertiefung...


BRUNSSON, N. (1985). The irrational organization. John Wiley & Sons.

BRUNSSON, N. (1989). The organization of hypocrisy: Talk, decisions and actions in organizations. John Wiley & Sons.

BRUNSSON, N. (2002). The organization of hypocrisy, 2. Auflage, Kopenhagen, Copenhagen Business School Press, 242 S.

CARTER, Craig R. und JENNINGS, M.M. (2002). “Social responsibility and supply chain relationships”. Transportation Research Part E: Logistics and Transportation Review, 38(1), 37-52.

CARTER, Craig R. und JENNINGS, M M. (2004). “The role of purchasing in corporate social responsibility: a structural equation analysis”. Journal of Business Logistics, 25(1), 145-186.

DI MAGGIO, P. J., & POWELL, W. W. (1983). “The iron cage revisited: Institutional isomorphism and collective rationality in organizational fields”. American sociological review, 147-160.

QUAIREL, F., & AUBERGER, M. N. (2007). « La diffusion de la RSE par la relation fournisseurs : injonctions paradoxales ou partenariat de progrès ? », Revue internationale PME, 20(3-4), 69-94.


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